Drehmoment des Dieselmotors



Äquivalentes Drehmoment bei verschiedenen Drehzahlbereichen

Eine der absurdesten Vorstellungen ist die Wirkung des Drehmoments beim Dieselmotor.

Dabei wird übersehen dass ein Benzinmotor aufgrund seiner höheren Drehzahl ja auch eine höhere Übersetzung aufweist. Übersetzt man einen Dieselmotor in einem Gang auf gleiche Fahrgeschwindigkeit dann besteht an den Antriebsrädern kein größeres Drehmoment als beim Benzinmotor.
In der folgenden Grafik sind zwei Leistungs- und Drehmomentkurven dargestellt die einander vollständig entsprechen wenn man sie auf gleiche Geschwindigkeit übersetzt.
Der Drehmoment- und Leistungsverlauf im linken Diagramm entspricht mit 6000 U/min Nenndrehzahl einem Benzinmotor die Kurven im rechten Diagramm entsprechen mit 4000 U/min einem Dieselmotor.

Die 200 Nm des Benzinmotors bei 3000 U/min können genau so viel wie die 300 Nm bei 2000 U/min beim Dieselmotor.
 

Bild 1:   Äquivalentes Drehmoment und Leistung zweier Motoren


In den nächsten beiden Diagrammen ist dargestellt was bei beiden Motoren an den Antriebsrädern ankommt wenn man beide bei der jeweiligen Nenndrehzahl auf 180 km/h übersetzt, was bei Maximaldrehzahl knapp 200 km/h ergibt. Das entspräche etwa einem 5. Gang. Im linken Diagramm sind Drehmoment und Leistung dargestellt, im rechten Diagramm Antriebskraft an den Rädern und Leistung. An den Rädern ist eigentlich die Antriebskraft maßgebend da ja die Kraft am Radumfang abgenommen wird. Beide Motoren würden also an den Antriebsrädern völlig gleiche Charakteristiken liefern.
(Die entsprechenden Gleichungen sind im Anhang angeführt.)



Bild 2:  Drehmoment bzw. Antriebskraft an den Antriebsrädern




Übersetzung von Dieselfahrzeugen zu niedrigeren Geschwindigkeiten

Allerdings werden Dieselfahrzeuge im allgemeinen in den einzelnen Gängen zu niedrigeren Geschwindigkeiten übersetzt. Dieselfahrzeuge werden daher tatsächlich etwas in Richtung Zugfahrzeuge bzw. Bergfahrzeuge übersetzt.
Das hat zwei nachvollziehbare Gründe.
Dieselmotoren brauchen wegen ihres Verbrennungsverfahrens und damit verbundenen höheren Verdichtungsdrucks ein merklich größeres Schwungrad. Das ist ein Nachteil da sich beim raschen Beschleunigen, insbesondere in den niedrigen Gängen, ja auch die Motordrehzahl rasch ändern muss. Das größere Schwungrad wirkt sich also für die Beschleunigung nachteilig aus. Man kann dies eben dadurch kompensieren dass man Dieselfahrzeuge in den einzelnen Gängen zu niedrigeren Geschwindigkeiten übersetzt.
Ein Dieselmotor hat ähnliche Leerlaufdrehzahl wie ein Benzinmotor was aber im Vergleich zur niedrigeren Nenndrehzahl prozentmäßig höher liegt als beim Benzinmotor. Bei Übersetzung auf gleiche Geschwindigkeit würde daher das Drehmoment beim Dieselmotor erst später einsetzen als beim Benzinmotor, was sehr im Gegensatz zur fast allgemein vorhandenen Vorstellung steht.

Im folgenden Bild sind im linken Diagramm zwei Leistungskurven dargestellt, im rechten Diagramm zwei Drehmomentkurven. Die grüne und rote Kurve entspricht dem Benzinmotor, die schwarzen Kurven entsprechen dem Dieselmotor. Diese Kurven sind vor allem im ganz unteren Drehzahlbereich der Charakteristik eines Benzin- bzw. eines Dieselmotors angepasst. (Dagegen sind die Unterschiede im mittleren und oberen Drehzahlbereich eher willkürlich angenommen.)
Beide Kurven entsprechen einem Turbomotor, es hätte wenig Sinn einen Turbomotor mit einem Saugmotor zu vergleichen da heutige Turbomotoren im unteren Drehzahlbereich wesentlich mehr Drehmoment erreichen.



Bild 3:  
Benzinmotor und Dieselmotor


Wenn man nun diese beiden Motorcharakteristiken auf gleiche Drehzahl umrechnet, also so als ob sie mit einem Getriebe auf gleiche Drehzahl übersetzt würden, dann ergibt sich das in den folgenden beiden Grafiken dargestellte Bild. Die Maximaldrehzahl von 5000 U/min ist dabei willkürlich gewählt. Man sieht hier beim Drehmoment dass der Dieselmotor unter dieser Voraussetzung im ganz unteren Drehzahlbereich nicht mithalten kann.






Bild 4:
 Drehmoment und Leistung bei gleicher Drehzahl


Im der nächsten Grafik ist nun dargestellt was an den Rädern ankommt wenn man beide Fahrzeuge auf eine Maximalgeschwindigkeit von rund 130 km/h übersetzt, was etwa der Übersetzung eines 3. Ganges entspricht.


Bild 5:  Drehmoment in einem 3. Gang


Man sieht hier das ganz erhebliche Defizit des Dieselmotors im ganz unteren Drehzahlbereich.
Dabei sind die Annahmen in diesem Bereich für den Dieselmotor noch eher günstig. Man kann dies kompensieren indem man einfach das Dieselfahrzeug zu einer niedrigeren Geschwindigkeit übersetzt (strichlierte Kurve), dann ist das Drehmoment auch im ganz unteren Geschwindigkeitsbereich vergleichbar. Dieser hier dargestellte Unterschied der Geschwindigkeiten von Benzin- und Dieselfahrzeugen ist durchaus realistisch und ist mitunter noch größer.

Dass man durch die Übersetzung von Dieselfahrzeugen zu niedrigen Geschwindigkeiten nicht merklich höhere Beschleunigungen erhält als bei Benzinfahrzeugen liegt, wie gesagt, daran dass Dieselmotoren ein merklich größeres Schwungrad haben als Benzinmotoren und dies beim Beschleunigen einfach mehr Drehmoment wegnimmt.
Bei gleichmäßiger Geschwindigkeit etwa bergauf oder beim Ziehen eines Anhängers ist dieses größere Drehmoment aufgrund der Übersetzung zu niedrigeren Geschwindigkeiten allerdings tatsächlich vorhanden, da sich das größere Schwungrad ja nur bei rascher Drehzahländerung negativ auswirkt.
Das größere Drehmoment von Dieselfahrzeugen bei Bergfahrten oder als Zugfahrzeug kommt also von der Übersetzung zu niedrigeren Geschwindigkeiten.


Dass man beim Benziner erst später in den nächsthöheren Gang mit entsprechend niedrigerem Drehmoment schaltet ist bei 0-100 km/h sogar ein Vorteil. Im allgemeinen sind daher die Beschleunigungswerte von 0-100 km/h beim Benziner besser. Bei 80-120 km/h im 4. Gang ist dagegen meist der Diesel im Vorteil weil dieser Geschwindigkeitsbereich, aufgrund der Übersetzung zu niedrigerer Geschwindigkeit, bei Dieselfahrzeugen meist in den Bereich des hohen Drehmoments fällt.

Das ist alles, die Vorstellung von einer Wirkung des zahlenmäßigen größeren Drehmoments des Dieselmotors ist bestenfalls Legende.
Auch die Vorstellung von einer größeren Elastizität des Dieselmotors kommt einfach von dieser unterschiedlichen Übersetzung.


Das größere Schwungrad des Dieselmotors hat übrigens einen positiven Nebeneffekt auch. Durch die größere gespeicherte Energie kann einem beim Anfahren weniger leicht passieren dass man den Motor abwürgt.



Das Drehmoment an den Rädern hängt von der Leistung ab

Häufig besteht auch dass Missverständnis dass man mehr Drehmoment an den Antriebsrädern hat wenn man im Bereich höheren Motordrehmoments fährt. Das ist aber nur dann der Fall wenn man in ein und demselben Gang auch entsprechend langsamer fährt.
Wenn man jedoch mit der gleichen Geschwindigkeit fährt so hat man immer in jenem Gang das größte Drehmoment an den Antriebsrädern in dem man auch die größte Leistung hat.




Bild 6:  Drehmoment in Abhängigkeit von Motordrehzahl und Fahrgeschwindigkeit


Im obigen linken Diagramm sind die roten Linien Kurven gleicher Fahrgeschwindigkeit (100 bzw. 120 km/h) das entspräche einem stufenlosen Getriebe mit dem man über die ganze Motordrehzahl mit gleicher Fahrgeschwindigkeit fährt. Die schwarzen Kurven entsprechen einem dritten, vierten und fünften Gang. Die Schnittpunkte roter und schwarzer Kurven entsprechen gleichen Fahrgeschwindigkeiten in den drei Gängen. Man sieht hier dass das Drehmoment an den Antriebsrädern, bei einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit, immer äquivalent zur jeweiligen Motorleistung ist. Im rechten Diagramm sind die gleichen Kurven über der Fahrgeschwindigkeit dargestellt.
Bei einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit ist das Drehmoment an den Antriebsrädern ganz einfach eine Funktion der momentanen Motorleistung bei der jeweiligen Motordrehzahl.

Auch die Vorstellung dass man am Berg Drehmoment braucht und bei hoher Geschwindigkeit Leistung ist unrichtig.
Man braucht an den Antriebsrädern immer möglichst viel Drehmoment und das hat man, bei bestimmter Fahrgeschwindigkeit, bei möglichst großer Motorleistung. Der Unterschied besteht nur darin dass man bei höherer Geschwindigkeit aufgrund unterschiedlicher Übersetzung bei gleicher Leistung weniger Drehmoment an den Antriebsrädern erhält.



Bild 7:   Antriebskräfte an den Rädern


Die Antriebskraft durch die Räder FRad wird einfach für die einzelnen Kräfte verbraucht, die Kraft für Reibung Fr, die Kraft für Luftwiderstand Fl, wenn es bergauf geht die Kraft für Gravitation Fg und falls dann noch etwas übrig bleibt die Kraft für Beschleunigung Fa.
Was an Antriebskraft verfügbar ist hängt aber ausschließlich von der momentanen Leistung und der momentanen Fahrgeschwindigkeit ab.


In diesem Themenbereich Drehmoment und Leistung bestehen, wie gesagt, insbesondere bei Dieselfahrzeugen sehr häufig Missverständnisse. Dies bewirkt dann oft eine deutlich beschönigende Sicht der Eigenschaften von Dieselfahrzeugen. Was man darüber hört und liest ist oft genug glatter Unsinn um hier zum Abschluss ruhig noch etwas Klartext zu verwenden.

Das Thema Drehmoment und Leistung beim Dieselmotor ist hier etwas breiter dargestellt und hier einigermaßen ausführlich.

Im Anhang sind noch die entsprechenden Gleichungen beschrieben.

Im Thema
Diesel FAQ
werden noch weitere Aspekte zum Dieselmotor bessprochen.


Anmerkung Elektrofahrzeuge

Auch bei Elektrofahrzeugen hört man dass im unteren Drehzahlbereich das Drehmoment maßgebend wäre und im oberen Bereich die Leistung. Das ist auch hier der gleiche Unsinn.
Das Drehmoment an den Rädern hängt immer von der momentan verfügbaren Leistung (je nach Motordrehzahl) und von der Raddrehzahl ab, von nichts sonst.
Da Elektrofahrzeuge im allgemeinen nur eine einzige Übersetzung haben, einen einzigen Gang sozusagen, kann man das Motormoment auch einfach mit dieser Übersetzung umrechnen. Das gilt aber auch wieder für den ganz Drehzahlbereich des Motors bzw. der Räder.
Diese unsinnige Sichtweise des Drehmoments scheint auch bei Elektrofahrzeugen seine Fortsetzung zu finden.



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Abgase von Dieselmotoren



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3.5.2017                   aktualisiert:   4.11.2022

Copyright © 2017        Gottfried Langmann   




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Anhang

Hier sind noch die entsprechenden Gleichungen.


Die Leistung ist:

P = M.ω

P......Leistung [W]      (1 kW = 1000 W)
M.....Drehmoment [Nm]
ω......Winkelgeschwindigkeit [rad/s]

Das Drehmoment an den Rädern ist daher:

M = P/ω

Die Winkelgeschwindigkeit errechnet sich aus der Raddrehzahl:

ω = n.π/30

n....Drehzahl [U/min]

 
Damit ergibt sich 

M = P.30/(n.π)

Man sieht hier also dass das Drehmoment an den Antriebsrädern ausschließlich von der momentanen Motorleistung und von der Raddrehzahl abhängt.

Eigentlich maßgebend ist aber die Antriebskraft.
Man kann diese Kraft aus dem Drehmoment errechnen:

M = F.r

F........Kraft [N]
r.........Radius der Räder [m]
 
Die Antriebskraft ist daher:


F = M/r

Man kann die Antriebskraft aber auch direkt aus Leistung und Geschwindigkeit berechnen.

P = F.v

v.....Geschwindigkeit [m/s]    (1 m/s = 3,6 km/h)

Die Antriebskraft ist daher auch:

F = P/v


Die Antriebskraft hängt also von der momentanen Motorleistung und von der Fahrgeschwindigkeit ab. Von nichts sonst.


Anmerkung:

Die Motorleistung ergibt sich mit
P = M.ω              bzw.
P = M.n
.π/30
aus Drehmoment und Winkelgeschwindigkeit (bzw. Drehzahl). Man sieht hier dass sich Drehmoment und Drehzahl gleich auf die Motorleistung auswirken, es ist also gleichgültig ob man mehr Drehmoment hat oder mehr Drehzahl.



Hier wird noch der physikalische Zusammenhang zwischen
Kraft - Drehmoment - Arbeit - Energie - Leistung
beschrieben.