Die Wirkung von ABS
(Anti-Blockier-System)
Mit ABS wird der Bremsweg kürzer
Mitunter besteht die Vorstellung dass der Bremsweg mit ABS länger wird. Das ist natürlich nicht der Fall, der Bremsweg wird mit ABS kürzer.
Haftreibung - Gleitreibung
Zunächst einmal besteht ein Unterschied zwischen Haftreibung und
Gleitreibung. Die Haftreibung ist der etwas größere Wert.
Dies kann man sich mit einem Gegenstand, den man über eine
Tischfläche bewegt vergegenwärtigen. Man muss die Kraft
zunächst vergrößern bis sich der Gegenstand zu bewegen
beginnt. Sobald sich der Gegenstand aber bewegt braucht man etwas
weniger Kraft um den Gegenstand gleichmäßig weiter
bewegen zu
können. Solange der Gegenstand sich nicht bewegt besteht
Haftreibung, sobald er sich bewegt besteht Gleitreibung.
Der Unterschied zwischen Haftreibung und Gleitreibung kann allerdings
je nach Materialpaarung größer aber auch nur gering sein.
Auf der Straße hängt die Reibung natürlich vom
Straßenbelag und vom Straßenzustand, ob trocken oder nass,
etc. ab, aber auch das Verhältnis zwischen Haftreibung und Gleitreibung ist dabei unterschiedlich.
Bremsweg
Wenn die Räder vollständig blockieren besteht reine
Gleitreibung,
wenn sich die Räder gerade noch drehen besteht eben gerade
noch Haftreibung. Hinzu kommt dass die Lauffläche eines blockierenden
Reifens heiß wird, die Reibung wird dadurch noch geringer. Der
Bremsweg ist daher schon aus diesen Gründen bei einem
funktionierenden ABS kürzer. Selbst die frühen
elektronisch gesteuerten ABS-Systeme schafften kürzere Bremswege
als ohne ABS.
Lenkbarkeit
Ein Rad das vollständig blockiert ist natürlich auch in
keinster Weise mehr steuerbar, das Fahrzeug schlittert sozusagen
dorthin wohin es will, während bei funktionierenden ABS immerhin
noch eine gewisse Seitenführung erhalten bleibt.
Mitunter besteht freilich die Vorstellung dass mit ABS eine beliebige
Lenkbarkeit erhalten bleibt, was allerdings nicht der Fall ist.
Dies ist damit zu erklären dass die geometrische Summe der
übertragbaren Kräfte im wesentlichen gleich bleibt. Dies
lässt sich mit dem so bezeichneten Kammschen Kreis gut
erklären.
Wirkung beim Bremsen
Die übertragbare resultierende Kraft (rot) ist in jede beliebige Richtung (näherungsweise) gleich.
Bei einer Vollbremsung, links im Bild, wird nahezu die ganze
übertragbare Reibungskraft in Längsrichtung verbraucht. Auch
wenn sich das Rad noch dreht und daher noch Haftreibung besteht, bleibt
nur ein geringer Betrag für die Seitenführung übrig.
Das reicht dafür dass das Fahrzeug nicht beliebig durch die Gegend
schlittert und eine sehr bedingte Lenkfähigkeit erhalten bleibt.
Es mag für das Lenken in einer langgezogenen Kurve ausreichen.
Für ein abruptes Verreißen des Fahrzeuges reicht das
freilich nicht. Wenn man also durch Verreißen des Fahrzeugs einem
Hindernis ausweichen kann und dadurch vielleicht einen Unfall sogar
vermeiden kann, dann hilft auch hier nichts anderes als zum Verreißen des
Fahrzeugs die Bremse einen Augenblick loszulassen. Das macht
natürlich nur Sinn wenn man auf diese Weise einen Unfall vermeiden
kann, denn der Bremsweg wird dadurch zwangsläufig wieder
länger. Jedenfalls sollte man sich bewusst sein, dass bei
einer Vollbremsung auch mit ABS nicht eine beliebige Lenkbarkeit
erhalten werden kann.
Würde die Haftreibung beim Bremsen bis zum allerletzten
ausgenützt so bliebe natürlich für die
Seitenführung überhaupt nichts mehr übrig und jede
geringe Seitenkraft würde den Übergang von Haftreibung zu
Gleitreibung bewirken. Das würde faktisch den Kontrollverlust
bedeuten.
Dies wird mit ABS durch ständige Anpassung der Bremskraft
eben so geregelt, dass sich das Rad gerade noch dreht. Dadurch bleibt
man im Bereich der Haftreibung und eine bedingte Lenkbarkeit bleibt
erhalten.
Kurvenfahrt
Wenn man in einer schnell gefahrenen Kurve an die übertragbare
resultierende Kraft heran kommt (im Bild Mitte) so bleibt hier umgekehrt nur
wenig für das Bremsen übrig. Im schlimmsten Fall reicht es
dann eben nicht.
Die maximale übertragbare Seitenkraft, und damit die höchste
Kurvengeschwindigkeit, besteht dann wenn man weder bremst noch
ein Antrieb erfolgt, denn dann ist die gesamte übertragbare
Reibungskraft als Seitenführungskraft verfügbar. Die
höchste Seitenführungskraft besteht daher ausgekuppelt ohne
zu Bremsen. Das ist freilich eher theoretischer Natur, denn man wird im
Notfall ohne Bremsen ja auch nicht langsamer, die Kurvengeschwindigkeit
und damit die Zentrifugalkraft bleiben weitgehend gleich.
Wenn die Haftreibungskraft zur Gänze für die
Seitenführung verbraucht wird, dann bedeutet auch hier jede
geringe Bremsung den Übergang von Haftreibung zu Gleitreibung, was
auch hier den Verlust der Kontrolle bedeuten würde.
Allgemeiner Fall
Es kann sich je nach Kurvengeschwindigkeit und Bremskraft jede
beliebige Kombination aus Bremskraft und Seitenführungskraft
ergeben (im Bild rechts), nur die resultierende Reibungskraft kann eben
nicht überschritten werden. Wenn diese Kraft überschritten
wird dann geht jede Richtungsstabilität verloren.
Durch die Wirkung von ABS wird eben auch hier die Bremskraft so
angepasst dass sich die Räder gerade noch drehen. Damit bleibt die
Längskraft und damit auch die resultierende Kraft gerade noch im
Bereich der Haftreibung.
Längsrichtung und Querrichtung
Anzumerken wäre noch dass die Eigenschaften eines Reifens in
Längsrichtung und Querrichtung nicht genau gleich sind. Genau
genommen ist daher der "Kammsche Kreis" leicht oval. Am Prinzip einer
resultierenden Reibungskraft ändert das aber nichts es ist
lediglich die maximale Reibungskraft in Längsrichtung und in
Querrichtung leicht unterschiedlich.
Mit einem Wort
Ein sich gerade noch drehendes Rad
befindet sich gerade noch im Bereich der Haftreibung, der Bremsweg
wird durch ABS daher kürzer. Die Gleitreibung eines
blockierenden
Rades ist geringer.
Bei einem sich noch drehenden Rad bleibt mit ABS eine gewisse
Seitenführung des Rades erhalten, dagegen besteht bei einem
blockierenden Rad keinerlei Seitenführung mehr.
Da bei einer Vollbremsung auch mit ABS die resultierende
Reibungskraft fast zur Gänze ausgenützt wird, ist diese
Seitenführung allerdings begrenzt vorhanden. Eine beliebige
Lenkbarkeit darf man sich bei einer Vollbremsung daher auch mit ABS
nicht erwarten.
Bremskraftbegrenzung bevor es ABS gab
Auch lange bevor es ABS gab wurde die Bremskraft für die
Hinterräder mit einem so bezeichneten Bremskraftregler
kontrolliert. Das Blockieren der Hinterräder ist nämlich
besonders gefährlich, es kann zum unkontrollierbaren Ausbrechen des Hecks führen bzw.
schlimmstenfalls kann einem das Heck überholen.
Der Bremskraftregler wurde über das Ausfedern der Hinterachse
gesteuert, bei Ausfedern der Hinterachse wurde die Bremskraft für
die hinteren Räder reduziert.
Das hatte freilich auf die Lenkbarkeit der Vorderräder keinen
Einfluss und war auch nicht entfernt die genaue Regelung die man
mit heutigen ABS erreicht. Es reichte aber im allgemeinen dazu um das
gefährliche Blockieren der Hinterräder bzw. das dadurch entstehende Ausbrechen des Hecks zu vermeiden.
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22.2.2019 aktualisiert: 19.11.2020
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